Im Jahr 1789 begann die Französische Revolution. 1782 wurde in Deutschland die letzte Frau als ‚Hexe’ verbrannt. Schon 1781 veröffentlichte Kant sein philosophisches Hauptwerk ‚Kritik der reinen Vernunft’. Heute benötigen wir eine Kritik der wirtschaftlichen Vernunft. Viele Dinge verlaufen im Sand, wie der Kampf gegen die weltweite Armut, der Stopp der Urwald- Abholzung und der in die Meere fließenden Plastikflut, die Realisierung einer ökologischen und tiergerechten Landwirtschaft und Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst (wegen leerer Kassen). Die Bemühungen um eine Rettung des Klimas werden seit über 20 Jahren ausgebremst.Der Gegner ist die ‚wirtschaftliche Vernunft‘ mit ihrer Fixierung auf den Markt als oberste Instanz in der Wirtschaft und auf das Wirtschaftswachstum. So ‚siegen’ in der Politik immer die Erhaltung der Arbeitsplätze und die Lobby der Großunternehmen gegen das Soziale und die Erhaltung der Lebensgrundlagen.
In Berlin müssen Mieter weichen, weil ihre Wohnungen luxussaniert werden (und danach zu teuer sind). Doch die Luxussanierungen schaffen / erhalten Arbeitsplätze. Und die Überschüsse der Reichen müssen profitable Anlagemöglichkeiten finden, damit sie in den Geldkreislauf der Realwirtschaft zurückkehren bzw. darin bleiben. Auch die Privatisierungen öffentlichen Eigentums sind in diesem System notwendig, damit Überschüsse der Reichen Anlagemöglichkeiten finden und Geld in die öffentlichen Kassen kommt.
Die Kassen von Bund, Ländern und Kommunen leiden traditionell an Unterernährung. Wir haben öffentliche Armut und privaten Reichtum, der sehr ungleich verteilt ist. Das private Vermögen übersteigt in Deutschland die nicht geringe Staatsverschuldung um mehr als das Zwanzigfache. Sie blieb in Deutschland in den letzten Jahren nur deshalb etwa konstant, weil Privatisierungen Geld eingebracht haben, und weil die deutsche Wirtschaft durch den Mega- Exportüberschuss brummte. Mit andern Worten, die schwarze Null wurde nur erreicht durch Vernachlässigung anderer wirtschaftspolitischer Ziele. Anerkennung verdient, dass Deutschland den Ausstieg aus der Kohle und aus der Atomkraft auf seine Fahnen geschrieben hat. Doch es geht zu langsam.
Wird erspartes Geld angelegt, entstehen neue Produktionsmittel, oder es werden alte modernisiert, mit dem Effekt, dass mehr und billiger produziert werden kann und neue Produkte entstehen. Sie müssen auch Absatz finden. Neue Bedürfnisse werden geweckt. So rufen die Ersparnisse Wirtschaftswachstum hervor. Und je mehr die Wirtschaft schon gewachsen ist, desto mehr Ersparnisse entstehen.
Dieses dynamische Wachstum und die dahinter stehende Politik wurden lange Zeit bejubelt und die schlimmen Nebenwirkungen ignoriert. Doch nun muss es ein Erwachen geben. Die Belastbarkeit der Umwelt wurde überschritten. Die traditionellen Parteien verloren massiv an Wählerstimmen. Dem ‚Wirtschaftsmotor’ macht die relative Marktsättigung Probleme. Dabei geben die Einen nicht mehr Geld aus, weil sie schon im Überfluss leben, und die Andern können nicht mehr Geld ausgeben, weil sie es nicht haben. In den armen Ländern wird gehungert, während in den reichen Ländern Unmengen von Lebensmitteln im Müll landen.
Wie benötigen eine Wirtschaft, die nicht tötet.
Warum blasen brennende Wälder, die Schlote der Kohlekraftwerke und auftauende Permafrostböden weiterhin Megatonnen von Treibhausgasen in die Atmosphäre? Niemand würde ein Fahrzeug kaufen, das nur stabil ist, solange es beschleunigt, und dessen Abgase die Gesundheit seiner Mitmenschen ruinieren. Doch die herrschende Lehre der Wirtschaftswissenschaft reitet mit ihrem ‚Wachstum first’ weiterhin ein todkrankes Pferd. Die Politik verfehlt die vereinbarten Klimaziele. Um einer konsumgierigen Gegenwart willen wird die Zukunft verheizt. Das reichste Land der Welt, das Vorreiter beim Klimaschutz sein sollte, lehnt ein Tempolimit auf Autobahnen ab.
Für eine echte Verkehrswende und einen Richtungswechsel können wir Staatsbürger Einiges tun, indem wir unser Konsumverhalten ändern und uns bei Wahlen überlegen, wem wir unsere Stimme geben. Geld und Reichtum darf nicht unser einziges Zeil sein. Die Gewerkschaften können den Schwerpunkt auf eine Verkürzung der Arbeitszeit legen, auf mehr Freizeit statt mehr Konsum. Eine Ware, die knapp ist, ist begehrt und wird gut bezahlt. Es bleibt dann aber noch die Kluft zwischen Großverdienern und Minijobbern.
Daher ist vor allem die Politik gefordert, im sozialen und ökologischen Bereich. Sie muss durch Steuern steuern und sich dadurch zugleich eine solide finanzielle Grundlage schaffen. Die klammen öffentlichen Kassen haben es dringend nötig. Die Überschüsse der Reichen sind abzuschöpfen. Sie drohen sich ja aus der Realwirtschaft eines Landes zu verabschieden, wenn sie dort nicht immer wieder neue, lukrative Anlagemöglichkeiten finden.
Das große Geld und seine Erträge kann man aber heute nicht angemessen besteuern, und man muss ihm sogar seine Wünsche erfüllen, weil es mitsamt den Arbeitsplätzen in andere Länder ‚fliehen‘ kann. Das Kapital wird ja auch als scheues Reh bezeichnet. Es gab sogar den Steuersenkungswettbewerb unter den Staaten, um Investoren anzulocken oder am Standort zu halten. Eine Vereinheitlichung der Steuersätze innerhalb der EU erscheint weniger realistisch als eine Landung auf dem Mars.
In Brasilien kam ein Bolsonaro vor allem wegen der unsäglichen Armut an die Macht. Man sah das Land nur als billigen Rohstofflieferanten, und die internationale Finanzwelt presste das Land mit Hilfe der hohen Schulden aus, die die Militärdiktatur von 1964 bis 1985 angehäuft hatte. Nun brennt der Urwald und schafft Exporterlöse und Arbeitsplätze.
Die Bastionen der Herrschaft der Märkte sind die veraltete Wirtschaftswissenschaft und der die Politik beherrschende Neoliberalismus. Ihre Kernaussage ist, ‚wenn nur die Wirtschaft genügend wächst, hebt das Steigen des Wasserspiegels auch die kleinen Boote (der armen Menschen)’.
So können die Kommunen, die Länder und selbst der Bund gegenwärtig nur etwas bewirken, wenn sie sich tiefer in die Verschuldung stürzen. Man hofft dann auf Wirtschaftswachstum mit steigenden Steuereinnahmen. Wachstum und steigende Wirtschaftskraft sollen auch den Kraftakt der Reduzierung der Treibhausgase ermöglichen. Das klingt aber wie Feuer löschen mit Benzin. Denn die Milliardengewinne der Konzerne haben in aller Regel keine sozialen oder ökologischen Ambitionen. Kritik wird von der Politik gerne ausgesessen, und Ablenkungen des öffentlichen Bewusstseins auf Missstände in andern Ländern sind willkommen.
Politik und Corona- Pandemie
Die Maßnahmen gegen die Corona- Pandemie waren nun allerdings ein Paukenschlag der Politik auch gegen die Wirtschaft. Inwieweit sie notwendig und richtig waren, sei hier dahingestellt. Doch die Politik hat Mut gezeigt. Das Wirtschaftswachstum wurde in vielen Bereichen ins Negative gedrückt. Das Ökosystem der Erde erhielt eine Verschnaufpause. Durch Kurzarbeitergeld und Zuschüsse greifen aber der deutsche Staat und die EU tief in die Tasche, um ein Kollabieren der Wirtschaft zu verhindern. Dadurch wächst die Staatsverschuldung weiter an.
Politik gegen den Klimawandel und gegen die Armut
Um handlungsfähig zu bleiben, also das Steuer sowohl während der Pandemie als auch danach in der Hand zu behalten, müssen nun alle Regierungen zusammen der Weltwirtschaft zeigen, wer der Boss ist. In den USA wurde gerade ein Präsident abgewählt, der den Klimawandel leugnet und alles Soziale in die Nähe des Kommunismus rückt. Eine Wachstumsgrenze für das große Geld durch Besteuerung nimmt zugleich den Wachstumszwang aus der Wirtschaft und ermöglicht es, die Armut zu bekämpfen. Dann müssen keine Wohnungen mehr zwangsmodernisiert werden. Es gibt dann genügend Geld für die Kosten der Corona- Pandemie und für den ökologischen Umbau der Wirtschaft. Der Planet darf nicht in ein Trümmerfeld verwandelt werden.
Dazu benötigen wir eine solidarische Zusammenarbeit aller Länder, die sich nicht mehr gegenseitig auf dem Weltmarkt die Marktanteile und auf dem Kapitalmarkt die Investoren abjagen. Dazu muss die veraltete Wirtschaftsweisheit über Bord geworfen werden, die der Politik Zurückhaltung auferlegt und die unsichtbare Hand des Marktes heilig spricht. Dafür ist eine genügend breite Zustimmung in allen gesellschaftlichen Schichten erreichbar.